Ich scheine im ersten Halbjahr 2017 auf spontane Trips nach Schottland abonniert zu sein. Nachdem ich im März in Edinburgh war, um das Edinyarnfest zu besuchen (die Fotos seht Ihr hier), stand im Mai habe ich im Mai meine Freundin Marilena nach Glasgow begleitet. Sie tanzt Swing und Shag – und die Community ist offensichtlich genauso nerdig wie wir StrickerInnen. Auch hier wird kein Weg gescheut, um Gleichgesinnte auf Festivals zu treffen. Anlass der Reise war daher in erster Linie das Glasgow Shag Festival. Während also Marilena Shag tanzte, überlegte ich mir ein wolliges Begleitprogramm.
New Lanark ist eine industrielle Mustersiedlung, ungefähr eine Stunde von Glasgow entfernt und gut mit dem Zug zu erreichen. Sie ist seit 2001 zu den UNESCO Weltkulturerbe. Meine Motivation zur Besichtigung war natürlich doppelt so groß, weil man dort live erleben kann, wie Garn gesponnen wird. Garn-Shopping inklusive.
New Lanark: Eine soziale Utopie wird Wirklichkeit
New Lanark Mill ist eine ehemalige Baumwollspinnerei, die in den Jahren 1800 bis 1825 dem Sozialreformer Robert Owen gehörte. Er setzte dort seine sozialen Utopien für faire Lebens- und Arbeitsbedingungen in die Wirklichkeit um.
New Lanark liegt in einem wunderschönen Tal am River Clyde und ist definitiv als Ausflugsziel für die ganze Familie geeignet. In New Lanark wird besonders der Alltag der Arbeiterkinder des 19. Jahrhunderts eindringlich geschildert. Bevor Owen seine Reformen in der Baumwollspinnerei einführte, hatten diese oft einen langen Arbeitstag. Sie wurden geschlagen und angeschrien.
Robert Owen erließ ein Arbeitsverbot für Kinder unter 10 Jahren (nach heutigen westlichen Standards immer noch undenkbar). Er eröffnete eine Schule, in der körperliche Strafen verboten waren. Die Arbeiterkinder wurden in Fächern wie Kunst und Musik unterrichtet. Für Kinder ab 18 Monaten gab es eine Kinderkrippe, d. h. die Mütter konnten bald wieder arbeiten gehen.
Owen reduzierte die Arbeitszeit der Kinder über 10 Jahren und sorgte somit dafür, dass die Kinder und Erwachsene, die in der Spinnerei arbeiteten, nach der Arbeit zur Schule gehen konnten. Generell reduzierte er die Arbeitszeit seiner Arbeiter auf 10,5 Stunden, üblich waren zur damaligen Zeit 14 Stunden und mehr.
Robert Owen gilt als Gründer der Genossenschaftsbewegung. Er kaufte hochwertige Lebensmittel en gros und konnte diese so zu besseren Preisen an seine Arbeiter verkaufen. Außerdem baute er Häuser, die er günstig vermietete. Damit sanken die Lebenshaltungskosten für die Arbeiter. Trotz Anfangsschwierigkeiten und Widerständen schaffte er es, durch die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, die Motivation der Arbeiter zu steigern und Produktivität der Spinnerei zu erhöhen. Im Jahr 1825 verkaufte er New Lanark, um in den USA mit dem Projekt New Harmony noch einen Schritt weiter zu gehen.
Die Spinnerei in New Lanark wurde 1968 stillgelegt und verfiel. In den 1980er Jahren wurde New Lanark als Museum wieder aufgebaut. Seit 2001 zählt es zu den Weltkulturerben der UNESCO.
Besichtigung der Spinnerei
Heute wird in der Spinnerei keine Baumwolle mehr gesponnen, sondern das Vlies von Schafen. Und zwar auf einem traditionellen Wagenspinner aus dem 19. Jahrhundert. Bei der Besichtigung kann man zusehen. New Lanark Wool und Textiles spinnt Aran, Chunky und DK Garne. In der Regel reine Wolle, aber es gibt auch ein weiches Tweedgarn mit Seide.
Im angegliederten Laden kann man die Wolle gekauft werden. Traditionell hergestellt, wollig weich und preislich sehr fair (ganz im Sinne Robert Owens). Klar, dass ich mir da einige Souvenirs mitnehmen müsste.
Quellen und weiterführende Links: Deutschlandfunkkultur: Ein Kämpfer für soziale Ziele Wiener Zeitung: Ein philantrophisches Paradies Webseite New Lanark Britannica: Robert Owen (engl.) Kate Davies Blogpost on New Lanark (engl.)